Die Krise ist nicht vorbei, sie ist systemisch. Wettbewerb verursacht Stress. Das Band zwischen Wohlstand und Wachstum ist gerissen. Auch grüne Lebensstile reichen nicht aus. Angriff auf den Wohlfühlkapitalismus.
In der Gesellschaft verbreitet sich Unbehagen über die Kurzsichtigkeit der immer noch herrschenden Krisenstrategie. Immer mehr Geld wird in prekär werdende Branchen gesteckt, dem Staat werden qua „Schuldenbremse“ Möglichkeiten zur Gestaltung genommen, Alternativen kaum mehr diskutiert. Der stärkste Antrieb dieser Krisenpolitik bleibt wirkungsmächtig, obwohl sie in der Öffentlichkeit weitgehend abgelehnt wird: dass vor allem die Reichen und Mächtigen ihre Vermögen, sozialen Positionen und ihre Einflussmacht sichern.
Das Versprechen von herrschender Seite, dass alles sich zum Besseren wenden wird, lautet weiterhin: Wachstum, Wachstum, Wachstum. Das hören auch die Beschäftigten gerne, öffnet das ihnen doch Spielraum für verteilungspolitische Forderungen. Und dennoch: Der Glaube an den deus ex machina des Wachstums schwindet.
Zwar liegt eine wichtige Erfahrung darin begründet, dass Länder mit einem gewissen Wachstum besser durch die Krise kommen. Die Sozialversicherungssysteme müssen weniger hart geschleift werden, bei den Primäreinkommen können die Gewerkschaften moderate Lohnerhöhungen erkämpfen, Verteilungskonflikte werden entschärft. Doch die Erfahrung vieler Menschen ist inzwischen, dass sie am zu verteilenden materiellen Wohlstand weniger teilhaben.
Und die Wachstumspolitiken in Deutschland finden nicht zuletzt auf Kosten der Nachbarn statt. Die Wachstumsraten der westlichen Gesellschaften in der Nachkriegszeit sind ohnehin kaum wiederzugewinnen - aus ökologischen und ökonomisch-technologischen Gründen. Heute haben Schwellenländer bessere Voraussetzungen für Wachstum.
Das Band zwischen Wachstum und Wohlstand zerreißt
Die Versteifung auf Wirtschaftswachstum als wirtschaftspolitische Leitlinie wird vom stabilisierenden Moment in den Industriegesellschaften zu einem Instabilität generierenden Faktor. Besonders deutlich wird das an den Finanzmärkten. Die zu geringen Wachstumsraten in der „Realökonomie“, verbunden mit den enorm angehäuften Mengen von Geldkapital - etwa durch die Privatisierung der Rentenversicherung -, führen zu einer immer bornierteren Suche nach Rest-Profitmargen.