Die Industrie feiert biologisch abbaubare Kunststoffe als Mittel gegen Plastikmüll. Die Realität ist eine ganz andere
Falsches steht da nicht direkt. Es ist der Kreislauf der Elemente, den der Verbund kompostierbarer Produkte e.V. auf seiner Internetseite zeigt. Es geht um Erde, Humus, Wasser, Luft. Grüne Ranken und Biotonnen sind zu sehen, und Nährstoffe beschrieben, die der Dung an die Natur zurückgibt. Einzig überraschend ist, wer dahinter steht: Die Verbundsmitglieder sind alle aus der Plastikbranche. Chemieunternehmen wie BASF, die Granulat herstellen, Folienfabrikanten, die daraus Tüten gießen oder Gefrierbeutel machen. Das Bild, das sie und zunehmend andere Unternehmen zeichnen, ist verlockend: Plastik könne grün sein. Nutzbar ohne schlechtes Gewissen, weil es verrottet wie altes Laub.
Plastik ist nicht wegzudenken aus unserem Alltag. Wenn das Leben immer schneller wird und Wegwerfen praktischer als Wiederverwerten, gehören Einkaufstüten, Partybesteck und To-go-Verpackungen meist dazu. Ohne Einwegprodukte müssten wir die Geschwindigkeit drosseln und eingespieltes Verhalten ändern, ohne Folienverpackung den gesamten Konsum umstellen. Plastik kann auch Ressourcen sparen: Es ist ein robustes, leichtes Material, das lange lebt und sich spritsparend transportieren lässt. Doch es ist verpönt, spätestens seit Greenpeace es kilogrammweise aus den Mägen toter Meerestiere holt und Forscher an den Stränden der Erde kaum noch Sand finden, in dem keine Partikel davon sind – eben weil es so lange hält.
Bio-Plastik ist da wie eine Verheißung. Bio klingt nach Natur und das beschert den Herstellern Erfolg. Rund 604 000 Tonnen bioabbaubaren Kunststoff produzierte die Branche weltweit nach eigenen Angaben im Jahr 2012. Für Tüten, für Joghurtbecher, Kaffeekapseln, Computertastaturen, Turnschuhe oder Plastikflaschen. Fußballvereine wie Bayern München oder der VfL Wolfsburg schenken als CSR-Maßnahme in ihren Stadien Getränke hinein. Aldi und Rewe ließen ihre Kunden die Einkäufe darin einpacken. „100 Prozent kompostierbar“ oder „Zeig der Umwelt ein Lächeln“ schrieben sie auf die Tüten und verlangten 39 Cent dafür. Viel erhofft sich die Branche auch von den Folienbeuteln für Bioabfälle, einem ganz neuen Absatzmarkt.
Passend dazu schreibt der Verbund kompostierbarer Produkte auf seiner Internetseite: „Alles wie immer – nur besser.“ Niemand muss etwas ändern, sogar Produktionsmaschinen und -abläufe können gleich bleiben, es entstehen einfach nur keine unangenehmen Folgen. Zu erkennen für den Verbraucher sind die Produkte an einem aufgedruckten grünen Keimling, dem in Deutschland am weitesten verbreiteten Siegel für Kompostierbarkeit. Für die nächsten fünf Jahre erwartet die Branche ein Wachstum von 60 Prozent. Der Haken: In der Realität wird hierzulande aus Plastik kein Kompost. Oder, wie Hans Demanowski, Professor für Verpackungstechnik an der Beuth Hochschule für Technik in Berlin, drastisch sagt: „Kompostierbares Plastik ist in den meisten Fällen kompletter Blödsinn.“ Woher solle ein Joghurtbecher wissen, ob er im Supermarkt steht oder auf dem Kompost liegt und ab wann er zerfallen darf? „Das ist reine Werbung.“ Zumindest ist es nicht so einfach, wie für den Verbraucher dargestellt.
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